Synthetische Biologie – Ethische Überlegungen (Mai 2010)

Medienmitteilung vom 10. Mai 2010

Die Synthetische Biologie verfolgt die Idee, Lebewesen kontrolliert und zielgerichtet umzubauen oder von Grund auf zu konstruieren. Ist es möglich, neue Lebewesen herzustellen? Wenn ja, ist es auch ethisch vertretbar? Nach Ansicht der Mehrheit der Eidgenössischen Ethikkommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) müssen künftige Entwicklungen im Auge behalten werden, aber es gibt kein grundsätzliches Veto gegen die Synthetische Biologie.

Synthetische Biologie bezeichnet ein relativ neues Forschungsgebiet, das Elemente der Molekularbiologie (Gentechnologie), der Chemie, der Computerwissenschaften und der Ingenieurswissenschaften verbindet. Im Vordergrund der Synthetischen Biologie stehen das Entwerfen und Herstellen nicht schon natürlicherweise vorkommender biologischer Bestandteile und Systeme sowie die Rekonstruktion und der Nachbau bereits existierender biologischer Systeme. Der Synthetischen Biologie liegt die Idee zugrunde, dass sich Lebewesen kontrolliert und zielgerichtet umbauen bzw. konstruieren lassen.

Mit dieser Idee kann auch der Gedanke verbunden sein, die entstandenen Produkte weiterhin kontrollieren zu können. Ob dies möglich ist, ist insbesondere von risikoethischer Relevanz. Es liegen plausible Risikoszenarien vor, aber zu wenige empirische Daten, um eine Risikobeurteilung vornehmen zu können. Die Entwicklungen der Synthetischen Biologie sind so aus Sicht der EKAH aufmerksam zu beobachten, aufgrund geäusserter Bedenken lässt sich jedoch kein grundsätzlicher Einwand gegen die Synthetische Biologie ableiten.

Unabhängig von den risikoethischen Aspekten muss der Anspruch, Lebewesen in einem kontrollierten Prozess herstellen zu können, geprüft werden. Dies kann nicht geschehen, ohne die Frage zu beantworten, was Leben ist. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder geht davon aus, dass sich das, was wir als Leben bezeichnen, auf rein physikalisch-chemische Eigenschaften bezieht. Für Vertreter dieser sog. monistischen Position gibt es keine prinzipiellen Gründe, weshalb der Ansatz der Synthetischen Biologie nicht erfolgreich sein könnte und Leben herstellt. Eine Minderheit vertritt die Auffassung, dass Organismen nicht allein durch physikalisch-chemische Eigenschaften erklärbar sind und vertritt nicht-monistische Lebenskonzepte. Auch diese Konzepte lassen die Möglichkeit offen, dass als Produkt der Synthetischen Biologie Lebewesen entstehen können. Allerdings muss auf Grundlage dieser Positionen dem Gedanken, dass die Prozesse und Produkte der Synthetischen Biologie in dem Grade kontrollierbar sind, wie dies die Synthetische Biologie annimmt, mit einiger Skepsis begegnet werden.

Die Mitglieder der EKAH sind sich einig, dass die Art und Weise, wie Lebewesen entstehen, ob in einem natürlichen Prozess oder auf andere Weise, keinen Einfluss auf ihren moralischen Status hat. Langfristig rücken, zumindest aufgrund bestimmter Visionen der Synthetischen Biologie, zwar alle Lebewesen ins Blickfeld. Derzeit hat die Synthetische Biologie jedoch ausschliesslich zum Ziel, Mikroorganismen herzustellen. Die Mehrheit der Mitglieder vertritt einen biozentrischen Ansatz in der Ethik, wonach auch Mikroorganismen über einen Eigenwert verfügen, weil sie leben. Allerdings weist die Mehrheit diesem Eigenwert in einer Güterabwägung ein so geringes Gewicht zu, dass er vernachlässigbar bleibt. Die Minderheiten innerhalb der Kommission vertreten aus verschiedenen Gründen die Auffassung, dass Mikroorganismen keinen Eigenwert haben. Es besteht Konsens in der Kommission, dass Eigenwertsüberlegungen kein Veto gegen die derzeitige Forschung der Synthetischen Biologie begründen.

Weitere Auskünfte

  • Prof. Dr. Klaus Peter Rippe, Präsident EKAH, Tel. 076 433 89 22
  • Ariane Willemsen, lic. iur., M.A., Geschäftsführerin EKAH, Tel. 031 323 83 83

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Letztes Update: 20.11.2018